Haushalt nicht verabschiedet CDU, FDP und Grüne verweigern Zustimmung, um „ein Zeichen“ gegen Verwaltung zu setzen
Lotte. Das hat es im Lotter Gemeinderat noch nicht gegeben – jedenfalls nicht, solange sich die derzeitigen Rats- und Verwaltungsmitglieder erinnern können: Obwohl im Prinzip alle Fraktionen den Haushaltsplan 2013 für „solide“ halten und gern zustimmen würden, wurde die Verabschiedung abgelehnt – ebenfalls aus Prinzip, wenn man so will. Denn die informelle Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen votierte geschlossen dagegen, neun SPD-Ratmitglieder enthielten sich der Stimme. Lediglich Bürgermeister Rainer Lammers (SPD) und der fraktionslose Ratsherr Reinhold Hinrichs hoben die Hand für das Zahlenwerk.
Dabei hatten die Fraktionsvorsitzenden in ihren Haushaltsreden zuvor ihre grundsätzliche Zustimmung signalisiert, CDU und FDP allerdings ausdrücklich mit Abstrichen und die Grünen mit Kritik an Details. Lediglich SPD-Fraktionschef Thomas Giebel unterstrich von Anfang an die volle Unterstützung für den Haushaltsentwurf: „Er ist solide aufgestellt, und das Zahlenwerk ist nachvollziehbar. Das ist nichts Neues, das sind wir von unserem Kämmerer auch gewohnt. Deshalb tragen wir diesen Haushaltsplan in dem Bewusstsein mit, dass erfahrungsgemäß sich am Jahresende etliche Planzahlen oder Ermächtigungen so oder auch ganz anders darstellen können. Aber dieser finanzielle Planungsrahmen ist erforderlich und für den Rat eine verbindliche Handlungsanweisung“, erklärte er.
Für die CDU verdeutlichte Werner Schwentker, dass seine Fraktion dem Zahlenwerk mit einem Volumen von 20,8 Millionen Euro und einem Defizit von knapp einer Million Euro nur unter zwei Bedingungen zustimmen könne: „Wir wollen, dass die Verwaltung unter Beteiligung aller politischen Fraktionen des Hauses ein Zielkonzept zum Haushaltsabgleich ab 2016 innerhalb der nächsten drei Monate aufstellt. Im Rahmen dieses Zielkonzeptes müssen jetzt, in 2013, die konzeptionellen Weichen gestellt werden. Im Haushalt 2014 müssen erste und ernsthafte Umsetzungen erkennbar werden, ab 2015 als Ziel der praktischen Politik in der Umsetzung für den Haushalt 2016. Und zweitens: Wir wollen eine werterhaltende Investitionsplanung. In einem Ziel- und Terminkonzept ,Zukunft Lotte‘ soll diese durch die Verwaltung unter Beteiligung aller Fraktionen ebenfalls in den nächsten drei Monaten erarbeitet und regelmäßig fortgeschrieben werden.“
Zukunftskonzeption
Im Haupt- und Finanzausschuss hätten sich alle Fraktionen auf eine Verpflichtung zum Haushaltsausgleich und zur Zukunftskonzeption Lotte im Rahmen des Haushaltsplanbeschlusses verpflichtet, so Schwentker. Da diese „notwendigen Weichenstellungen“ in der Beschlussvorlage fehlten, könne man ihr nicht zustimmen.
Auch FDP-Fraktionschef Friedhelm Pösse schlug in diese Kerbe: „Kein Beschluss zu dieser Vorgehensweise gleich keine Zustimmung zum Haushalt“, erklärte er und warf der Verwaltung „eine grobe Missachtung der politischen Beschlüsse“ bei der Erstellung der Beschlussvorlage vor. Man wolle ihr aber die Chance einräumen, sich selbst zu korrigieren und eine Vorlage zu erstellen, die „eindeutig widerspiegelt, was der Rat zu beschließen hat“. Deshalb stimme man dem Haushalt „heute nicht zu“, sondern erwarte eine entsprechende Beschlussvorlage zur Ratssitzung am 12. März.
Für die Grünen erklärte Dieter Hörnschemeyer: „Bis auf wenige Details sind wir mit dem diesjährigen Etatentwurf wohl einverstanden und könnten ihm zustimmen. Wir möchten jedoch ein Zeichen setzen wegen der vielen Anträge, die die Jamaika-Fraktion wohlweislich mit Terminvorgaben versehen hat, und die durch hinhaltenden Widerstand erheblich verzögert werden. Deshalb wird die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen diesem Haushalt nicht zustimmen.“
Obwohl Bürgermeister Lammers den Vorwurf der absichtlichen Verzögerung energisch zurückwies und von einem Missverständnis m Hinblick auf die Beschlussvorlage sprach, ließ sich Jamaika auch von Giebels Kompromissvorschlag, die Vorlage entsprechend zu ergänzen, nicht umstimmen. So kam es zu dem Abstimmungsergebnis – und dazu, dass jetzt in der eigentlich der Schulformsuche gewidmeten Ratssitzung am 12. März der Haushalt erneut Thema sein wird.
Auszüge aus den Haushaltsreden
SPD
Wir haben schon ein fundiertes Entwicklungskonzept
Thomas Giebel: „Die Bereiche, über die wir als Rat originär noch zu entscheiden haben, sind Investitionen, sind Entscheidungen über Personal und über Sachmittel. Nur da können wir sparen!
Wir haben gerade für 2013 unseren Entscheidungsspielraum genutzt. Wir haben die Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer angehoben. Das ist immer eine unpopuläre Maßnahme. Aber sie ist unvermeidbar, weil uns sonst die GFK-Mittel vom Land gekürzt werden.
Bevor der Rat zu dem Schluss kommt, dass es unbedingtes Ziel sein muss, die Einnahmen aus der Gewerbesteuer massiv zu erhöhen, sollten wir zunächst klären, in welche Richtung wir die Weichen stellen wollen. Wir haben bereits eine Grundlage, die uns bei der Beantwortung dieser Fragen helfen kann. Denn mit unserem Strukturplan für die Gemeinde Lotte haben sich die Verantwortlichen diese Zukunftsfragen schon gestellt und ein fundiertes fachliches Entwicklungskonzept für einen Zeitrahmen von 20 bis 25 Jahren geschaffen. In Sachen Wirtschaftsförderung sind wir mit den Kontakten, die Bürgermeister und Verwaltung mit den Gewerbetreibenden halten, längst weiter, als die ständig wiederholte Kritik uns weismachen will. Es gelten weiter unsere Argumente, dass nicht klar ist, welche nicht uns gehörenden Flächen mit welchem Recht und mit welchem Aufwand überhaupt vermarktet werden sollen und können. Wir wissen, dass Planzahlen nicht in Stein gemeißelt sind. Und dafür sollte unser ernsthaftes Bemühen stehen, das geplante Ergebnis nicht nur zu erreichen, sondern positiv zu verändern.“
CDU
Müssen Ausgaben reduzieren und trotzdem mehr investieren
Werner Schwentker: „In den Haushaltsreden der letzten Jahre hatte die CDU-Fraktion bereits konkrete Sparpotenziale in vielen Bereichen aufgezeigt und die Notwendigkeit eines gemeinsam aufzustellenden Handlungskonzeptes dargestellt. Im vorliegenden Haushaltsentwurf ist nicht festzustellen, dass die aufgezeigten Empfehlungen angegangen oder umgesetzt wurden.
Festzustellen ist, dass im Mittel der Jahre 2011 bis 2016 unsere Ausgaben lediglich zu 90 Prozent durch Einnahmen gedeckt sind. Wir stellen fest, dass die Transferaufwendungsquote recht konstant bei 54 Prozent liegt. Das bedeutet aber auch, dass wir circa 46 Prozent selbst gestalten können. Mit circa 19 Prozent ist die Personalaufwendungsquote die einzige kontinuierlich steigende Quote. Die Sach- und Dienstleistungsquote liegt recht konstant bei 13 Prozent. Unsere so viel diskutierten Investitionen belasten unseren Haushalt gerade mal mit einem Prozent. Im Ergebnis sparen wir an der Unterhaltung unserer Einrichtungen zulasten nachfolgender Generationen. Wir werden den Spagat schaffen müssen, die Ausgaben zu reduzieren und trotzdem mehr zu investieren.
Wenn wir heute nicht aufpassen, verpassen wir die notwendigen Weichenstellungen für die Zukunft und gefährden die wirtschaftliche Entwicklung.
Alle Fraktionen hatten sich auf eine Verpflichtung zum Haushaltsausgleich und zur Zukunftskonzeption Lotte im Rahmen des Haushaltsplanbeschlusses verständigt. Leider fehlt die in der HFA-Sitzung bestätigte Absicht einer ergänzenden Beschlussformulierung in der Vorlage.“
FDP
Defizit ist auszuhalten
Friedhelm Pösse: „Wir stellen zum Haushalt fest: Der Haushalt ist nicht ausgeglichen und wird es auch in den kommenden Jahren nicht sein. Das Haushaltsdefizit 2013 ist unter diesen Umständen aber auszuhalten. Wichtige Ausbauarbeiten und Fertigstellungen von Straßen sind noch möglich. Die Gemeinde kann ihren Verpflichtungen zur sozialen Sicherheit nachkommen. Freiwillige Leistungen können noch in ausreichendem Maße erbracht werden. Wir bedauern die auch von uns vorgeschlagene Anhebung der Grundsteuern und der Gewerbesteuer, halten dies aber im Vergleich zu unseren Nachbarkommunen für vertretbar.“ Zur Wirtschaftsförderung: „Es gibt Denkansätze zu Gewerbeansiedlungen. Das ist grundsätzlich positiv. Negativ ist, dass wenig Greifbares vorliegt.“
Grüne
Investitionen zu niedrig
Dieter Hörnschemeyer: „Lotte hat solide Finanzen. Der Schuldenstand geht seit zwölf Jahren stetig bergab. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in unsere Schulen und Kindergärten investiert. Wir haben in diesem Jahr Investitionen in Höhe von (nur) 750000 Euro vorgesehen. Für ein Jahr ist das nicht sehr dramatisch, langfristig führt dies aber zu einer Vernachlässigung unserer Infrastruktur, die uns später teuer zu stehen kommt. Der Bauhof ist seit Jahren in der politischen Diskussion. Zum Schluss hat der Rat eine Lösung gefunden, mit der alle gut leben können. Bedingt durch die knappen Mehrheitsverhältnisse, gibt es für den Bürgermeister hin und wieder ungemütliche Beschlüsse. Dass er diese nur unzureichend und verzögert umsetzt, können wir so nicht hinnehmen.“
Ein Artikel von Angelika Hitzke